Die fortschreitende Entwicklung in der Automobilindustrie führt dazu, dass auch die Anforderungen an Bremssysteme für Fahrzeuge stetig ansteigen.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Auf der einen Seite werden die Fahrzeuge immer leistungsfähiger und dadurch schneller, auf der anderen Seite - bedingt durch die steigende Anzahl von Bauteilen für mehr Sicherheit und Komfort - auch immer schwerer. Dies führt dazu, dass die Bremsanlage immer höheren Belastungen standhalten muss. Ein weiterer, nicht außer Acht zu lassender Aspekt, sind die heutigen modernen Fahrwerke der Fahrzeuge. Diese weisen zwar einen höheren Komfort sowie eine verbesserte Fahrdynamik auf, lassen dafür aber auch nur noch viel geringere Toleranzen der einzelnen Bauteile zu.
Hatte ein Fahrzeug mit Dreieckslenkern an der Vorderachse in der Vergangenheit noch eine Toleranz von ungefähr 100 μm (0,10 mm) beim Scheibenschlag, ist es bei den modernen Mehrlenkerachsen weniger als die Hälfte.
Über den normalen Verschleiß einer Bremsscheibe hinaus sind folgende Beanstandungen denkbar:
- Bremsenrubbeln (Juddern) – thermisches Rubbeln, Kaltrubbeln, Dickenabweichung
- Rubbeln durch Standflecken
- Geräusche
- ungenügende Bremswirkung
- Bremsscheiben zeigen Risse
- Bremsscheiben weisen Riefen auf
Wir wollen uns in diesem Artikel mit dem Thema Bremsenrubbeln auseinandersetzen.
Einige Fahrzeuge neigen aufgrund der hohen Belastung der Bremsanlage zum sogenannten Bremsenrubbeln, auch „Juddern“ genannt.
Dieses Phänomen kann mehrere Ursachen haben. Daher ist eine genauere Überprüfung sowohl des Fahrzeugs, als auch des Bremssystems notwendig, um den Fehler zu lokalisieren und langfristig abzustellen.
Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass die Bremsscheibe einen leichten Schlag haben müsse, um nach einem Bremsvorgang die Beläge wieder von der Scheibe zu lösen. Dies trifft aber auf keinen Fall zu.
Um ungleich verteilte Massen bei höheren Drehzahlen zu vermeiden und damit das Fahrwerk nicht zusätzlich zu belasten, werden alle von TRW produzierten Bremsscheiben einzeln kalibriert und gewuchtet.
Als „Rubbeln“ bezeichnet man Drehschwingungen des Lenkrades, die während einer Bremsung auftreten und in der Regel von einem dröhnenden Geräusch begleitet werden. Diese Erscheinungen werden hinsichtlich ihrer Ursache in thermisches Rubbeln, welches bei Abbremsungen aus hohen Geschwindigkeiten entsteht, und Kaltrubbeln, welches in allen Geschwindigkeitsbereichen auftreten kann, unterteilt.
Praxis-Tipp
Bremsscheibe mit Materialübertagung
"Thermisches Rubbeln" lässt sich wie folgt beschreiben:
- Dröhnendes Geräusch in einem Frequenzbereich zwischen 100 und 250 Hz. Das Dröhnen kann im Verlauf der Abbremsung wechselnde Intensitäten aufweisen, wobei die Bremswirkung nicht beeinträchtigt wird.
- Vibrationen im Lenkrad sowie pulsierendes Bremspedal.
Die Intensität des Bremsenrubbelns ist beim Bremsvorgang abhängig von der momentan wirkenden Bremskraft (Pedalkraft). Auswirkungen des heißen Rubbelns, sind in der Regel in Form von ringförmig angeordneten Flecken auf den Reibflächen der Bremsscheiben zu erkennen. Infolge der örtlichen Temperaturspitzen beim Bremsvorgang erfolgt ein Materialübertrag vom Scheibenbremsbelag auf die Bremsscheibe und/oder es entsteht eine bleibende Gefügeänderung im Gusswerkstoff der Bremsscheibe. Ein Materialübertrag kann meist durch Bremsungen im normalen Belastungsbereich wieder beseitigt werden. Eine punktuell auftretende Gefügeänderung, die auch als Martensitbildung bezeichnet wird, ist härter als das Ausgangsgefüge und kann nur durch einen spanabhebenden Arbeitsprozess beseitigt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass das verhärtete Gefüge vollständig entfernt, aber das Mindestmaß der Bremsscheibe nicht erreicht oder unterschritten wird. Um Risiken auszuschließen, empfiehlt sich jedoch ein Bremsscheibenwechsel.
Bremsscheibe mit "Hotspots"
Beim Bremsenrubbeln können mehrere Ursachen gleichzeitig vorliegen, weshalb eine eindeutige Zuordnung nicht ganz einfach getroffen werden kann. Es ist daher notwendig, bei der Ursachenforschung Schritt für Schritt vorzugehen:
- Zunächst ist eindeutig festzustellen, ob die Störeffekte von der Vorder- oder Hinterachse ausgehen.
- Dann sind die Bremsenbauteile zu prüfen, angefangen vom Bremspedal, über den Bremskraftverstärker, den Hauptbremszylinder, die Bremsleitungen, die Bremsschläuche bis hin zu den Radbremsen. Sollte ein Austausch nötig sein, sind aus Sicherheitsgründen (ungleiche Bremswirkung) Bremsbeläge und Bremsscheiben, Bremstrommeln und Bremsbacken grundsätzlich achsweise zu tauschen. Darüber hinaus sollten auch die Räder auf Unwucht, Seitenschlag, Höhenschlag und Zustand des Profils überprüft werden.
- Abschließend sollten noch Achseinstellung, Radaufhängung, Lenkungsteile und Radlager überprüft und ggf. eingestellt bzw. instandgesetzt werden.
Defekt an der Radaufhängung
"Kaltrubbeln" lässt sich während normaler Abbremsungen durch Pulsieren des Bremspedals, durch Drehmomentschwankungen des Lenkrades und/oder durch Vibrationen und Schwingungen von Achs- und Karosserieteilen feststellen.
Die Unterscheidungsmerkmale zum "Thermischen Rubbeln" sind der deutlich tiefer liegende Frequenzbereich (etwa bei 5 bis 50 Hz) und dass Kaltrubbeleffekte unabhängig von der Temperatur fast bei jedem Bremsvorgang auftreten können. Je nach Geschwindigkeit können diese Geräusche lauter oder leiser sein.
Hauptursache des Kaltrubbelns ist die Bremsscheiben- Dickendifferenz (vgl. XZS107). Darüber hinaus verstärken natürlich, wie auch beim "Thermischen Rubbeln", defekte Lagerteile und Radunwuchten diesen Effekt.
Ursachen der Dickenabweichung
Montagebedingte Rundlauffehler (Schlag) führen während der Fahrt, bei jeder Radumdrehung zu einer punktuellen Berührung zwischen Belag und Scheibe auch ohne das die Bremse betätigt wird. Obwohl hierbei die Berührungskräfte relativ niedrig sind, wird an der jeweiligen Stelle der Bremsscheibe Material abgetragen (Dickendifferenz), was ab einer gewissen Größenordnung zum Rubbeln führt.
Bremsscheibe mit Dickendifferenz 1 Bremsbelag 2 Bremsscheibe 3 Verschleiß / Dickendifferenz
Einflussfaktoren für Dickendifferenzbildung
Dickenabweichungen können während des Fahrbetriebs durch „Auswaschungen“ entstehen, die durch teilweise anliegende Bremsbeläge begründet sind. Oft sind leicht festsitzende Beläge oder Kolben die Verursacher.
Weitere Ursachen sind Falschmontage (Schmutz, Korrosion, zu hohes Drehmoment durch Schlagschrauber, etc.), die Einsatzbedingungen, das Fahrverhalten des Fahrers sowie die Verkehrsbedingungen.
Bei langen Autobahnfahrten mit sehr leichten Bremsungen können Dickendifferenzen entstehen, die zu Rubbelerscheinungen führen, was sich an den meisten Bremsscheiben durch einige stärkere Bremsungen wieder regenerieren lässt.
Die Wahrnehmung für den Fahrer ist ein temperaturunabhängiges, pulsierendes Bremspedal (Kaltrubbeln).
Die Auswirkungen von Dickendifferenzen können von Fahrzeugtyp zu Fahrzeugtyp sehr unterschiedlich sein und sind abhängig von den beschriebenen Kraftübertragungsfaktoren sowie dem Dämpfungsvermögen der Achs-, Lenkungs- und Chassisteile.
Vermessen einer Bremsscheibe
Die Prüfung des Seitenschlags von Bremsscheiben erfolgt im eingebauten Zustand und wird mit einer Messuhr, (Messgenauigkeit von mindestens 0,01 mm) ca. 10 - 15 mm unterhalb des äußeren Scheibenradius durchgeführt.
Der Messwert sollte, gemessen über mehrere Radumdrehungen, 50 μm (0,05 mm) und bei älteren Fahrzeugen 100 μm (0,10 mm) nicht überschreiten.
Ein zufriedenstellendes Ergebnis kann erzielt werden, wenn die Bremsscheibe auf der Nabe in Zuordnung zu den Befestigungsbohrungen so positioniert wird, dass der geringste Messwert entsteht. Gegebenenfalls ist dies durch Austausch/Kombination der beeinflussenden Bauteile (Nabe, Bremsscheibe, Lagerung) zu optimieren.
Vermessen der Radnabe
Weiterhin ist äußerste Sorgfalt in Bezug auf den sauberen und fehlerfreien Zustand der Anlageflächen und Passungen geboten (vgl. XZS103). Wie bereits oben erwähnt, kann auch die Nabe für einen zu großen Scheibenschlag verantwortlich sein und muss bezüglich des Rundlauffehlers gemessen werden. Als Anhaltspunkt kann hierbei ein maximaler Wert von 30 μm (0,03 mm) angenommen werden, der sich auf den äußeren erfassbaren Radius bezieht. Bei größeren Abweichungen müssen Radnabe und Radlager überprüft und nötigenfalls ausgetauscht werden.
Messen der Dickendifferenz einer Bremsscheibe
Die Messung der Dickendifferenzen des Reibringes einer Bremsscheibe kann in der Produktion nur mit Spezialgeräten exakt durchgeführt werden. Mit hinreichender Genauigkeit kann dies in der Werkstatt jedoch auch mit einer Präzisions- Mikrometer-Schraube erfolgen, die eine Messgenauigkeit von +/- 0,001 mm aufweist. Hierbei sollte an acht Stellen des Umfanges mit ca. 10 mm Abstand zum äußeren Reibradius gemessen werden. Je nach Fahrzeugtyp können Ungleichdicken von 12 - 15 μm (0,012 - 0,015 mm) bereits zu Rubbelerscheinungen führen. Diese Werte dürfen daher nicht überschritten werden. Die Berechnung der Dickendifferenz wird in der Service Information XZS107 beschrieben.
Radnabe ohne erkennbaren Lichtspalt
Verzogene und verdreckte Radnaben führen zu:
- Verziehen von Bremsscheiben
- Bremsrubbeln
- einseitig belasteten Bremsscheiben
- ungleicher Temperaturverteilung
- erhöhtem Verschleiß der Kugelgelenke und der Radlager
- Gefahr, dass die Radschrauben sich lösen (vgl. XZS103)
Radnabe mit erkennbaren Lichtspalt
Ein weiterer Prüfschritt ist das Kontrollieren der Anlagefläche der Radnabe.
Mit Hilfe eines Haarlineals lässt sich einfach und schnell die Anlagefläche der Radnabe überprüfen.
Entsteht ein Lichtspalt, ist die Radnabe unverzüglich zu erneuern. Nur wenn die Radnabe eine plane Oberfläche aufweist, kann man ohne Bedenken die Bremsscheibe montieren.
Übermäßig gefettete Radnabe
Denselben Effekt hat es, wenn die Bremsscheiben erneuert werden und nach dem Reinigen, zu viel Fett auf die Radnabe auftragen wird. Die Bremsscheibe liegt nicht Plan auf dem Flansch auf und es entsteht ein leichter Scheibenschlag. Dieser nimmt im Laufe der Zeit immer weiter zu, bis er vom Fahrer durch die o. g. Symptome festgestellt wird
Des Weiteren ist zu empfehlen, dass einige Prüfvorgänge, wie unter dem Abschnitt "Thermisches Rubbeln" beschrieben, ebenfalls durchgeführt werden. Hierzu gehören der Funktionszustand der Scheibenbremse, die Radlagerung, die Radaufhängung und die Lenkungsteile sowie die Vorderachseinstellung. Obige Ausführungen machen deutlich, dass die Ursachen für einen zu großen Rundlauffehler und somit für die Erzeugung von Dickendifferenzen, nicht ganz einfach zu ermitteln sind. Bei den betroffenen Fahrzeugen kommt es meist vor, dass nur die Bremsscheiben und -beläge erneuert werden, obwohl durch das Messen der Bauteile und ggf. Austausch derselben, der Fehler jedoch weitgehend eingegrenzt und behoben werden kann.
Gut zu wissen
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